Reichenau an der Rax – die Blaupause

von wolfgang

„I know this corner of the earth, it smiles at me“ – diese Zeilen von Jamiroquai kommen mir oft in den Sinn, wenn ich mich durch Reichenau an der Rax bewege. Treffender könnte ich mein Gefühl für diesen Ort kaum ausdrücken. Unendliche Dankbarkeit macht sich breit, wenn ich daran denke, dass ich das Glück habe, nur einen Steinwurf entfernt von diesem kleinen Paradies zu leben und mich hier immer wieder gerne hinziehen lassen darf, wenn Reichenau mich ruft…. und es ruft!

Reichenau
 

Reichenau an der Rax ist für mich nicht nur eine Sommerfrische. Es sind auch ganz persönliche Erinnerungen damit verbunden. Als ich ein Kind war, hatte meine Urgroßmutter den Schlüssel zu einem Berghof in der Prein, unweit von Reichenau, jedoch hoch oben umgeben von Wald und Bächen. Der Hof gehörte Freunden von ihr aus Irland, die aber so gut wie nie hier waren und in meiner Urgroßmutter eine verlässliche Person fanden, die ab und zu nach dem Rechten sah. Ich kann mich noch genau an den Blick durchs Fenster neben den Frühstückstisch in der alten Bauernstube erinnern, der uns einen grandiosen Blick auf die Felsmassive der Raxregion bot und so viele Details wie die Schattierungen an Grün, Hohlwege, die sich wie Schneisen durch die Wälder gegenüber auf den Hängen zogen und hier und da ein Fels, der herausragte, so dass ich mich niemals daran sattsehen konnte.

Eis im Park Café

Mein Bruder und ich verbrachten viele Wochenenden und Tage in den Sommerferien dort
oben. Bei vielen dieser Mini-Urlaube gehörte ein Ausflug „runter“ nach Reichenau mit dazu. In den Park. Auch mein erstes Bananensplit im Park Café ist mir noch so gegenwärtig, als würde ich gerade eben mit den Bekannten aus Irland und meinen Verwandten dort sitzen und mein T-Shirt mit Vanilleeis bekleckern.

Damals war Reichenau für mich vor allem ein schöner Park mit einer Kaffeeterrasse, auf der Eis serviert wurde. Was Reichenau auch sonst noch war, wusste ich damals freilich noch nicht. Ich wusste weder etwas über die Geschichte dieses Ortes noch dass es rund 80 Jahre vor meinen ersten Besuchen noch die Sommerfrische der k.u.k. Monarchie schlechthin war.

Die Sommerfrische Reichenau an der Rax

Reichenau an der Rax ist nicht irgendeine Sommerfrische. Es ist die Sommerfrische. Die Blaupause sozusagen und Benchmark. Sie erfüllt in meinen Augen alle Kriterien, die einen Sommerfrische-Ort ausmachen: 

  • Erreichbarkeit: Es war die Erschließung mit der Eisenbahn, die Reichenau zu dem machte, was es war und heute noch in Teilen ist. Der Ort nicht zu tief inmitten der Alpen war weit genug von der Metropole Wien entfernt, aber nahe genug, um mit der Bahn vergleichsweise schnell dorthin zu gelangen. Auch heute noch ist Reichenau über gut zu erreichen und so auch einen Tagesausflug wert. 
     
  • Luftkurort: Spätestens ab Gloggnitz nehmen von Wien Kommende eine spürbare Veränderung der Luftqualität wahr. Die Seehöhe, die vielen Wälder an den Hängen ringsum, die die sauerstoffgetränkte Luft in die Orte im Tal strömen lassen und die Gewässer, die hier voller Felsen und Steine sind, wo sich das Wasser immer wieder entgegenwirft und in einer Gischt an der Luft zersetzt wird, sorgen für freies Durchatmen. 
     
  • Das Wasser: Schöner könnte ein Ort nicht vom Wasser durchzogen sein. Malerisch
    fügt sich der Bergfluss Schwarza, der einige Kilometer weiter flussaufwärts noch sehr wild erscheint, hier angenehm ein und durchfließt den Ort. Alle zentralen Punkten Reichenaus liegen quasi in direkter Nähe zum Wasser, das an mehreren Stellen greifbar nahe und glasklar in unterschiedlichsten Farben schimmert. Ein künstlich durch ein kleines Flusskraftwerk entstandener Wasserfall hinter dem Park stellt ein weiteres Highlight dar. Allein dem Rauschen in ruhiger Position zu lauschen lässt eine besänftigende Wirkung auf die Seele spürbar werden. 
     
  • Heilklima & Sonne: Schon früh war bekannt, dass die Gegend um Reichenau ein Heilklima bietet. Die um das Wasser, das an Flussfelsen zerstäubt wird, angereichterte Luft, die intakte Natur sowie die relativ vielen Sonnenstunden sorgen für perfekte Bedingungen für den Organismus. 
     
  • Der Park: Wer sich an solch einem reizvollen Ort befindet, möchte nicht die gesamte Zeit im Kurhotel verbringen. Der Park bietet ausreichend Gelegenheit für einen Spaziergang und Müßiggang. Wer einfach von einer Parkbank aus das Treiben beobachten möchte, sich am Anblick der vielen Blumen erfreuen will oder gar das Glück hat, einem Konzert im Musikpavillon lauschen zu dürfen, ist hier genau richtig. 
     
  • Rast & Ruh: Dass man dem Körper etwas Gutes bieten muss, damit die Seele gerne darin wohnen möchte, wusste bereits Winston Churchill. Auch den Reichenauern scheint dieser Gedanke nicht fern zu sein. Konditoreien, Cafés und Restaurants sind in der bevorzugten Sommerfrische Wiener Kaffeehausliebhaber nicht schwer zu finden. Beeindruckend ist auch die große Vielfalt an Lokalitäten mit unterschiedlicher Ausrichtung für einen solch vergleichsweise überschaubaren Ort. 
     
  • Wilde Natur: Ein wesentliches Asset, das für Reichenau als den Prototyp aller Sommerfrischen spricht, ist die wilde Natur, die rund um den Ort zu finden ist. In nahezu alle Richtungen lässt es sich wandern. Die Rax und die Bergwelt der Umgebung sind von so gut wie jedem Punkt des Ortes aus allgegenwärtig. Mit der Raxseilbahn gelangen auch ungeübte Wanderer schnell in luftige Höhen. Ein unbeschreibliches Erlebnis stellt jedoch vor allem das Höllental dar, das von der Schwarza durchflossen wird und über viele Kilometer hinweg ein urtümliches Schauspiel bietet, das dazu einlädt, der Welt für ein paar Stunden im Schoß der Natur zu entfliehen. 

     
  • Lokalkolorit: Wer um 1900 etwas auf sich hielt und das nötige Geld dazu hatte, der ließ sich einen Ferienwohnsitz in einer Sommerfrische erbauen. So stehen glücklicherweise auch heute noch zahlreiche kleinere und größere Schlösschen und Villen von früheren Kaufmannsfamilien, Militärs, Dichtern und Denkern und selbstverständlich Adeligen, die es der Kaiserfamilie gleichtun wollten, im und um den Ort. Ein Ensemble schöner als das andere, als wollte man sich gegenseitig übertreffen. Manch ein Eigentümer verbrachte bald mehr Zeit hier als in seinem Erstwohnsitz. Wo sonst ließ es sich besser Kontakte knüpfen, Geschäfte machen und sogar Politik? 

Ein Rundgang durch Reichenau 

Wer sich einen ersten Überblick über Reichenau an der Rax verschaffen möchte, der startet am besten beim Park, der sich gegenüber des Rathauses direkt an der Durchzugsstraße befindet. Rechts der Parkanlagen führt eine eher unscheinbare Gasse zu einem kleinen Parkplatz. Dort findet sich nicht nur gleich ein wunderbarer Spielplatz mit Blick aufs Wasser und die Berge, sondern auch der perfekte Startpunkt für einen kleinen Rundgang. 

Teich in Reichenau
Hinter dem großen Teich, der auch zu Bootsfahrten einlädt, führt eine Brücke über die Schwarza. Die darunter liegende Staumauer des Flusskraftwerks mit dem tosenden Wasser bietet einen herrlichen Anblick und eine Gelegenheit, kurz dem Schauspiel beizuwohnen. Wer zum Theater und weiter zum Viadukt möchte, wählt den Weg rechts, diesmal wenden wir uns jedoch nach links zur Zentrumsrunde. Der Weg führt bald zu einer Abzweigung. Eine Variante führt nach links nahe am Fluss entlang. Ich empfehle aber für die erste Tour den Weg geradeaus rechts der Wohnbauten enltang. 

Sisi Schloss, Schloss Reichenau und Barbarakirche

Wer diesen Weg wählt, kann zur Rechten einen Blick in die Gärten des Sisi-Schlosses Rudolfsvilla erhaschen. Von der Weite ist bereits die markante gelbe Fassade der Kirche St. Barbara zu sehen, in deren Richtung wir uns bewegen. Hinter dem markanten Rundturm zur rechten Seite eröffnet sich ein Vorplatz zum Schloss Reichenau, hinter dem das Bergmassiv thront. Vorbei geht es an der Konditorei Nöbauer, es sei denn, es gelüstet nach Mehlspeise, dann darf natürlich ein Stopp eingelegt werden. 

Spaziergänger mit einem Faible für alte Eisenbahnwaggons sollten den Schienen zur Linken entlang folgen. Denn dort finden sich einige schöne Modelle aus vergangener Zeit. Weiter geht es dann über die Flussbrücke. Der Balkon auf der Brücke wurde nicht umsonst von weitsichtigen Ingenieuren hier eingeplant. Es ist nicht nur ein Balkon, sondern eine Einladung, das Panorama für einen Moment lang zu genießen. 

Wen schon nach dieser kleinen Tour der Hunger plagt, dem sei die Pizzeria vorne am Eck wärmstens empfohlen. Der Chef hat das Kochen in Italien gelernt und das schmeckt man! Ansonsten führt die erste Erkundungstour nun an der anderen Schwarza-Seite entlang zurück in Richtung Kurpark. 

Wohlverdienter Kaffee im Kurpark

Hinter den Tennisplätzen im Park angelangt sei gesagt, dass der Kurpark überschaubar groß ist. Eine kleine Runde lohnt sich, um den Musikpavillon noch einmal aus der Nähe zu sehen oder den Ententeich zu umrunden, auf dem sich im Sommer auch Ruderboote tummeln. Anschließend aber sei eine Tasse Kaffee empfohlen. Bei meinem letzten Besuch habe ich es ebenso getan und mich dann doch noch zu einem Stück Heidelbeerschnitte überreden lassen, wofür ich im Nachhinein herzlich dankbar war! 🙂 


 

 

 

 

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